1. Die Türkisch- Deutsche Universität (TDU) wurde in Zusammenarbeit der zwei Länder Deutschland
und Türkei gegründet. Was bedeutet dieser Schritt, bzw. diese Zusammenarbeit für beide Seiten a) für
die Beziehungen der beiden Länder und b) für die Hochschulpolitik und die Hochschullandschaft in
der Türkei?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die deutsch-türkischen Beziehungen seit jeher durch eine besondere, breit gefächerte Verbundenheit geprägt sind. Diese gegenseitige Verbundenheit stellt zugleich eine große Ressource dar, aus der auch der Wunsch nach einer Institutionalisierung des positiven, geistigen Klimas entspringt. Mit der Gründung der Türkisch-Deutschen Universität haben wir nun eine Plattform der Kommunikation sowie des Gedanken- und Wissensaustausches, des besseren Wissenschafts- und Kulturverstehens geschaffen, welche auf allen gesellschaftlichen Ebenen einen konstruktiven Beitrag für die bilateralen Beziehungen beider Staaten leisten soll.
Die Internationalisierung der türkischen Universitäten ist weit fortgeschritten. Wer möchte, kann in der Türkei längst an renommierten Universitäten studieren, die Studiengänge auf englischer und französischer Sprache anbieten. Wenn aber noch zu bedenken ist, dass laut Prognosen bald mehr als eine Viertelmillion junger Menschen in der Türkei Deutsch als Fremdsprache lernen werden und zudem hier ca. 6500 deutsche Unternehmen angesiedelt sind, die Ausschau nach qualifiziertem Personal halten, war das Vorhandensein einer Deutschen Universität für die Hochschullandschaft in der Türkei längst fällig.
Mit der Gründung der TDU haben nun die Studierenden die Möglichkeit erhalten, an einer Universität zu sein, die die wissenschaftlichen Stärken beider Seiten verbindet, um Spitzenleistungen in Forschung und Lehre zu erbringen und die Entwicklung beider Länder mit Innovationen zu bereichern.
das vorhandensein einer deutschen universität war für die hochschullandschaft in der türkei längst fällig
2. Können Sie uns von der Gründungsgeschichte der TDU erzählen?
Die Idee zur Errichtung einer Türkisch-Deutschen Universität ist nicht neu. Viel mehr geht sie auf das im Jahre 1957 abgeschlossene Kulturabkommen zwischen den Regierungen Deutschlands und der Türkei zurück. Erste Pläne wurden bereits in den 1990er Jahren unter der Kanzlerschaft Helmut Kohls entwickelt. Leider konnten diese vor allem aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt werden. Ein Regierungsabkommen im Jahr 2007 zwischen beiden Ländern brachte aber neuen Wind. Am 30. Mai 2008 unterzeichneten der türkische Außenminister Ali Babacan, der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie die deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan das Gründungsabkommen.
Der offizielle Startschuss für die TDU ist mit der Verabschiedung des Gründungsgesetzes durch das türkische Parlament am 01. April 2010 gefallen. Im Oktober 2010 erfolgte die Grundsteinlegung der TDU. Die feierliche Eröffnung der TDU fand im Rahmen des Deutsch-Türkischen Wissenschaftsjahres im Beisein des Bundespräsidenten Joachim Gauck, seinem türkischen Amtskollegen Abdullah Gül und der Bildungsministerin Prof. Johanna Wanka am 29. April 2014 statt.
Die TDU nahm ihren Lehrbetrieb zum Wintersemester 2013/2014 auf und genießt seit dem ersten Studienjahr unter den Studierenden beider Länder hohes Ansehen.
3. Wie sieht das Protokoll zwischen den beiden Ländern aus? Wer ist für welche Aufgaben
verantwortlich?
An der Finanzierung sind beide Staaten beteiligt, wobei die Türkei den größeren Anteil der Kosten trägt. Sie stellt das zwölf Hektar große Gelände im Ortsteil Beykoz, gelegen am anatolischen Bosporusufer, bereit und ist für die laufenden Kosten verantwortlich. Gemeinsam mit den deutschen Partnern werden die Einrichtung von Studiengängen, die Ausarbeitung der Lehrpläne sowie der Aufbau des Sprachenzentrums koordiniert.
Dagegen werden vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung die Kosten für deutsche Dozenten und Lektoren übernommen. Auf deutscher Seite wird die akademische Verantwortung durch ein Konsortium unter der Präsidentschaft von der Bundestagspräsidentin a. D. Rita Süssmuth getragen. Das deutsche Konsortium - mit mittlerweile 35 Mitgliedshochschulen und dem DAAD - leistet den deutschen Beitrag.
Für jede der fünf Fakultäten (Rechtswissenschaft, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, Kultur- und Sozialwissenschaften) sowie für das Fremdsprachenzentrum der TDU hat eine federführende deutsche Hochschule die Koordination auf deutscher Seite übernommen. Einer der Federführer ist auch die Universität Potsdam, die die Fakultät für Naturwissenschaften koordiniert. Daneben sind die angebotenen Masterstudiengänge in zwei Instituten organisiert und haben jeweils eine deutsche Universität als Kooperationspartner.
4. Inwiefern unterscheidet sich die TDU von den anderen Universitäten/ Hochschulen in der Türkei?
Mit der expliziten Praxisnähe unserer Studiengänge und unseren Lehrsprachen Deutsch und Englisch schaffen wir beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium und können durch die enge Kooperation mit der Industrie in beiden Ländern unseren Studenten gute Aussichten auf eine internationale Karriere bieten.
Die Besonderheit der Lehre ist vor allem die Kombination von Theorie und Praxis. Das innovative Studienkonzept ist darauf ausgerichtet, die in Deutschland übliche Praxisnähe auch an der TDU zu verwirklichen. Die Studierenden haben auch die Möglichkeit im Laufe ihres Studiums an deutschen Partner-Universitäten - in geförderten Sommerschulen oder in Form eines Erasmus-Aufenthalts - einen Teil ihres Studiums in Deutschland zu verbringen. Durch Studien- und Praxisaufenthalte in Deutschland wird die Qualität der Lehre und Forschung an der TDU zusätzlich gefördert.
Die Kurse werden klein gehalten, die Professoren, die Studierenden und das Fachpersonal kennen sich persönlich. Somit rücken die intensive Betreuung und das interaktive Lernen besonders in den Vordergrund. Für Studierende ohne ausreichende Deutschkenntnisse werden Sprachvorbereitungskurse angeboten, so dass sich auch Interessenten ohne Deutschkenntnisse bewerben können.
5. Was sind die Stärken der TDU, warum würden Sie die TDU empfehlen? Warum lohnt es sich für
StudentInnen an der TDU zu studieren?
Warum sollten WissenschaftlerInnen hier forschen und Dozenten hier lehren?
Vor allem lohnt es sich, an der TDU zu studieren, da sie die Möglichkeit bietet in zwei Welten zuhause zu sein. Studierende können hier doppelte oder gemeinsame Abschlüsse machen, ohne mit Anerkennungsproblemen in Berührung zu treten.
Dazu werden die besten Errungenschaften türkischer und deutscher Hochschultradition sowie ein hochwertiges Studienprogramm von einem Team renommierter Wissenschaftler vermittelt. Mit dem Studium oder der Arbeit an der Türkisch-Deutschen Universität sind wertvolle akademische und berufliche Erfahrungen, die nachhaltige Karrierechancen sichern, verbunden.
an der TDU ist man in zwei welten zuhause
6. Welche Lehrangebote gibt es an der TDU im Bachelor/ Master/ PhD zurzeit?
Die ersten Studierenden der TDU haben bereits im Wintersemester 2011/2012 im Studiengang Master of Science in Manufacturing Technology an der TU Dortmund in Deutschland mit einem Stipendium ihr Studium aufgenommen.
Im Wintersemester 2013/2014 hat die TDU mit den Bachelorstudiengängen „Rechtswissenschaft“, „Betriebswirtschaftslehre“ und „Technik Mechatronischer Systeme“ sowie den Masterstudiengängen „Interkulturelles Management“ und „European and International Affairs“ ihren Lehrbetrieb in Istanbul aufgenommen. Im WS 2014/2015 haben weitere Bachelorstudiengänge angefangen: „Wirtschaftsingenieurwesen“ sowie „Politik und Verwaltung“. Im WS 2015/2016 ist der Masterstudiengang "Privatrecht" hinzugekommen.
Alle grundständigen Studiengänge der TDU sind voll belegt und zum Teil überschreitet die Anzahl an Bewerbungen die verfügbaren Studienplätze um ein Vielfaches. Mit Beginn des Wintersemesters 2016/2017 studieren an der TDU insgesamt 848 junge Menschen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Studierenden um 320 gestiegen. Einen großen Beitrag zu der steigenden Studierendenzahl haben auch die neuen Bachelorstudiengänge ‘’Kultur- und Kommunikationswissenschaften’’, ‘’Materialwissenschaften und –technologie’’ sowie ‘’Informatik’’ und die Masterstudiengänge „Öffentliches Recht“ und „International Finance“ geleistet. Bis Ende 2018 planen wir acht weitere Bachelor- und drei neue Masterstudiengänge anzubieten, die jeweils in enger und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen entwickelt werden.
7. Was würden Sie den Studienanfängern zum Anfang des neuen Semesters/ Lehrjahres an der TDU
noch gern sagen?
In Hinblick auf zunehmende Globalisierung und Marktverflechtung in der Berufswelt ist die internationale berufliche Handlungskompetenz ein wichtiger Baustein. Interkulturelles Verständnis, Erweiterung der Sprachkenntnisse und der sozialen Kompetenz sind hierbei wesentliche Aspekte. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Studierende aufgrund der international ausgerichteten Studienprogramme der Türkisch-Deutschen Universität beste Kenntnisse für eine erfolgreiche berufliche Etablierung auf dem internationalen Arbeitsmarkt erwerben werden.
Das Interview wurde im Dezember 2016 von Gülnur Öztas geführt.
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